Putsch und Herrschaft der Lavque

"Die Lavque sind die höchsten, die fähigsten, die besten Magier. Schon ein gewöhnlicher Magier hat weitaus mehr Verständnis für komplexe Dinge und Situationen, was natürlich auch das Wohlergehen aller einschließt. Ein gewöhnlicher Bauer weiß schließlich nicht, was gut für ihn ist, und würde ohne Hilfe sich, seinen Hof und alle, die von seinen Nahrungsmitteln abhängig sind, in den Ruin treiben. Ähnliches gilt für andere Berufsgruppen genauso. Sie alle brauchen die Übersicht der Magier - und die Magier brauchen die Übersicht der Lavque."
Aussage eines Lavque

Die Vorbereitung des Putsches

Die Planung des exakten Vorgehens und die Positionierung der Putschisten in wichtigen Ämtern hatte bereits mindestens drei Jahre gedauert, möglicherweise länger.

Lavque Eidaove Simmatriva hatte sich als Anführer der Palastmagier des Kirri-Palastes in Edlayt positioniert, Lavque Nihakata Miruntzai hatte die Kontrolle über die Stadtwachen von Edlayt, weitere Lavque kontrollierten die Nachrichtenagentur, die das Hochfürstentum Edsa und einige Nachbarhochfürstentümer abdeckte.

Die beiden Lavque und Niederfürsten Kihalkita Sopelquai und Giritasvan Koltaki starteten den Putsch dann am 4. Tag der Schmelze 6848.

Der Putsch

Sopelquai reiste nach Niseliravis, das spätere Seliaris, und suchte gemeinsam mit zwei Brüdern und einem Schwager, wie er Lavque, die Westliche Versammlung des Hochfürstentums Edsa auf. Ungewöhnlich daran war, wenngleich Sopelquai selbst nicht zur Westlichen sondern zur Östlichen Versammlung von Edsa zählte, nur, dass er auch ein Kontingent Kampfmagier mitbrachte.

Sopelquai setzte den Versammlungstisch in Brand und erklärte die Bedeutung der Reichseinigkeit und den Verrat der Fürsten und Ständeräte an eben dieser Reichseinigkeit. Vier der sechs Niederfürsten und alle 29 anwesenden Ständeräte akzeptierten diese Erklärung und schlossen sich den Putschisten an, zwei Niederfürsten wurden als Reichssplitterer verhaftet.

Zur selben Zeit sprach Koltaki, begleitet von Simmatriva, dessen Gemahlin und Miruntzai, vor der Östlichen Versammlung in Edlayt und versuchte, die Fürsten und Ständeräte dort ebenfalls für die Reichseinigkeit zu begeistern. Drei Niederfürsten schlossen sich ihm an, einer starb bei Versuch, Koltaki zu erdolchen. Zwölf Ständeräte schlossen sich den Putschisten an, 14 weitere sowie der in Edlayt anwesende Hochfürst Ilbratevo Kisasia von Edsa wurden von Miruntzai und den Stadtwachen als Reichssplitterer verhaftet.

Die Niederfürsten und Ständeräte wurden unter Aufsicht einiger Lavque ausgeschickt, das Volk von Edsa über die einigende und wohlwollende Führung der Lavque zu informieren. Die Niederfürstentümer der beiden verhafteten Niederfürsten wurden durch ausgesuchte, möglichst beliebte Lavque informiert.

In einem dieser Niederfürstentümer, Yanga, kam es zu einem Aufstand, der am 6. Tag der Schmelze durch eine magische Feuersbrunst mit hunderten Toten niedergeschlagen wurde. Die Nachrichtenagentur berichtete davon allerdings nicht und außer in Yanga nahm das Volk die Lavque fast begeistert an.

In Ämtern und Schulen sowie in der Universität von Niseliravis hingegen formierte sich breiter Widerstand, was von den dort positionierten Lavque bemerkt wurde. Vor allem dort, aber auch willkürlich in ganz Edsa, wurden hunderte Bürger, meist ganze Familien, Firmenbelegschaften oder Lehrerkollegien, verhaftet.

Gesamt waren am Putsch etwa 300 Lavque direkt beteiligt, geschätzt kamen von ihnen fünf bis zehn zu Tode. Aus den anderen Kasten und Nifa starben während des Putsches etwa 1200, etwa die Hälfte in der Feuersbrunst in Yanga.

Der Schauprozess

Koltaki ließ sich am 9. Tag der Schmelze als Hochfürst einsetzen, einen Tag später ließ er bekanntgeben, dass 400 Reichssplitterer, darunter der alte Hochfürst und die beiden verhafteten Niederfürsten, vor Gericht gestellt würden.

Der Prozess fand am 12. Tag der Schmelze auf der Sigiar-Lichtung nahe Edlayt statt. Diese riesige Lichtung wurde abgesperrt, das Volk konnte nur von außen zuhören, wie die Lavque die Aussagen der Angeklagten durch ein Sprachrohr verstärkt angeblich wiederholten, tatsächlich allerdings stark verfälschten oder völlig erfanden.

Neun der Angeklagten wurden freigesprochen, zweifellos um gerechte Urteile vorzutäuschen, die übrigen wurden zum Tod durch Ertrinken verurteilt und an Steine gekettet in den Ledlasyen-See geworfen. Mindestens der alte Hochfürst und die beiden Niederfürsten wurden wieder hochgezogen und als Abschreckung in den Dyikatka-Zierbrunnen in Edlayt gelegt.

Da deutlich mehr als 400 Personen, vermutet werden mehr als 4000, verhaftet worden waren, so viele Prozesse aber als zu aufwändig angesehen wurden, wurden die restlichen Gefangenen über mehrere Wochen in kleinen Gruppen ins Abwasserwerk von Edlayt gebracht, in einen Käfig gesperrt und im Nachklärbecken ertränkt.

Der Verbleib dieser Personen wurde nicht erklärt, viele Familien hofften jahrzehntelang auf die Freilassung ihrer schon ertränkten Verwandten.

Ein verborgenes Detail

Der Erfolg des Putsches der Lavque hing maßgeblich davon ab, dass so viele Niederfürsten sich ihnen anschlossen. Das Wort der Niederfürsten zählte, sie traten öffentlich auf und widersprachen allen Behauptungen, die Lavque würden unangemessen brutal oder diktatorisch vorgehen. Auch weitere populäre Personen verteidigten die Lavque gegenüber allen Anschuldigungen.

Es war kaum denkbar, dass all diese Personen für die Lavque logen. Selbst als überaus mutig und ehrlich bekannte Mitglieder aller Kasten und Nifa sprachen für die Lavque, dass das Volk nur glauben konnte, dass es die Lavque wirklich gut meinten und die Verhafteten wirklich Reichssplitterer waren.

Wie konnte das sein?

Sopelquai war ein ausgesprochen fähiger Schemenentwickler. Bereits einige Jahre zuvor hatte er ein Schema entwickelt, mit dem man eine Person durch Berührung kurzzeitig in einen traumähnlichen Bewusstseinszustand versetzen kann. Für sich selbst war dieser Zauber nutzlos, aber Sopelquai fand einige sogenannte Transversalschemen, Ergänzungszauber, zu diesem Schema und stellte bei Versuchen zufällig fest, dass jene Wünsche, die er während des ersten Ergänzungszaubers dachte, nach dem Wirken des zweiten Ergänzungszaubers dauerhaft Auswirkung auf das Verhalten der Versuchsperson hatten.

Sopelquai hatte das Seelengeschenk entwickelt, mit dem sich der Wille einer Person ändern lässt.

Dieser Zauber wirkt allerdings nicht bei allen, denn sehr willensstarke Personen können ihn ganz oder teilweise abwehren. Solche Personen wurden von den Lavque natürlich zwangsläufig als Reichssplitterer verhaftet und schließlich getötet.

Es war Sopelquai allerdings nicht bekannt, dass die Willensänderung an das Leben des wirkenden Magiers gebunden ist. Das wurde erst 24 Jahre später entdeckt, als er starb und zugleich alle 91 noch lebenden von ihm verzauberten Personen öffentlich erklärten, dass sie durch einen Zauber gegen ihren eigentlichen Willen eine Diktatur der Lavque aufgebaut hatten.

Die Herrschaft der Lavque war allerdings schon zu stark gefestigt und es gab tausende Personen, die von anderen Magiern verzaubert waren, dass der aufflammende Widerstand nur dazu führte, dass aufgrund des hohen Gefangenenaufkommens ein eigenes Ertränkhaus gebaut wurde, wenngleich weiterhin nicht erklärt wurde, was mit Gefangenen tatsächlich geschah.

Einige Gefangene wurden aber auch verzaubert wieder freigelassen, um weitere Gegner der Lavque in eine Falle zu locken.

Die weitere Entwicklung

Die Zauberschemen des Seelengeschenks wurden an die Lavque der anderen Fürstentümer weitergegeben, die dort auf ähnliche oder andere Art ebenfalls die Macht übernahmen. Es dauerte gesamt 65 Jahre, bis ganz Sicaue im Jahr 6913 unter der Kontrolle der Lavque stand.

Ein interessantes Phänomen dieser Zeit ist der illegale Handel mit und die Fälschung von im Volk so genannten Siegelzetteln. Auf diese Weise verschafften sich wohlhabende Sicauische Bürger den Freiraum, nicht jede Schikane eines gelangweilten Lavque auf Streifzug mitmachen zu müssen.

Die Lavque hatten gegenüber den anderen Kasten und anderen Nifa einen absoluten Rechtsanspruch. Das bedeutet, dass ein Lavque nur von einem anderen Lavque angeklagt werden konnte. Die Beschuldigung einer Person einer anderen Kaste oder Nifa durch einen Lavque bedeutete hingegen eine baldige Verurteilung.

Zudem musste jedem Lavque gleichermaßen uneingeschränkt gehorcht werden, einzig ein gesiegelter Befehl aus dem Kirri-Palast in Edlayt hatte in jedem Fall Vorrang.

Über die fast dreihundertjährige Inselherrschaftszeit der Lavque wurden unzählige tausende getötet, vor allem ertränkt - es gibt erhaltene Ertränkhäuser überall auf der Insel, heute häufig als Museen oder Gedenkstätten restauriert.

Jeglicher Kampf gegen die Lavque hatte über die gesamte Herrschaftszeit kaum Erfolg. Selbst das Wissen, dass ein Seelengeschenk abgewiesen werden kann, nützte wenig, da es für eine Vortäuschung einer gelungenen Verzauberung nötig ist, die Aspekte des Zaubers, also den gewünschten neuen Willen des Verzauberten, zu kennen oder wenigstens zutreffend zu erahnen.

Zuletzt geändert am 23.10.2015 16:09
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